Blätterdach der Weidenfigur in der Mitte des Lebendigen Labyrinthes

Geschichte des Labyrinthes
Die Tradition der inneren Einkehr

Das Labyrinth – ein Lebenssymbol

Schon in Felsritzungen und Höhlenmalerei des Altertums, in griechischen Mythen und Tragödien erzählt das Labyrinth von den Wendungen des Lebens. Im Labyrinth werden Menschen in weiten Rundbögen und engen Kehren zur Mitte geführt.

Hier gilt die Verheißung: „Wer die Wendung nicht scheut, findet zur Mitte.“ (Candolini) Denn ein Labyrinth ist kein Irrgarten. Wie der Name schon sagt, führt ein Irrgarten in einem verworrenen Netz von Wegen mit vielen Kreuzungen meist in die Irre. Das Gegenteil ist im Labyrinth der Fall. Hier führt ein kreuzungsfreier Weg Schritt für Schritt auf seine Mitte hin. Niemand wird vor die Entscheidung rechts oder links? gestellt. Nur wer zu hastig geht, verpasst die Kehre und gerät ins Taumeln.

„Ich tanze, Herr, wenn Du mich führst. Soll ich sehr springen, musst Du anfangen zu singen. Dann springe ich in die Minne, von der Minne in die Erkenntnis, von der Erkenntnis in den Genuss über alle menschlichen Sinne. Dort will ich verharren und doch höher kreisen.“ (Mechthild von Magdeburg: Fließendes Licht der Gottheit I, 44)

In der Kultur Kretas kommt dieses Symbol des Lebens zu einem Höhepunkt. Deswegen wird das kretische Labyrinth das klassische genannt. Seine klare Wegfigur lädt zum Gehen ein, aber auch zum Tanz. Das berühmte Labyrinth von Knossos auf Kreta war vielleicht ein Tanzplatz, an dem die Tänzerinnen und Tänzer in einem Ritus Leben, Tod und Wiedergeburt inszenierten. Es ist ein Ort der Konzentration, der Klarheit und Zielstrebigkeit.

Die christliche Labyrinth-Tradition – Kreuz und Auferstehung

Wer ein Labyrinth konstruiert oder einfach nur mit dem Finger in den Sand malt, beginnt mit der Zeichnung eines Kreuzes. Deswegen kann man sagen: Hier dreht sich alles Leben, alle Bewegung um das Kreuz.

Dies bot schon dem frühen Christentum eine Möglichkeit, an die klassische Labyrinth-Tradition anzuknüpfen. Otfrid von Weißenburg, Priester der Klosterschule Weißenburg im Elsass, nimmt im 9. Jh. in sein Buch mit Evangelientexten ein Labyrinth auf. Er geht davon aus, dass das Maß des Kreuzes dem Kosmos eingeprägt ist. Deswegen steht in seinem Buch auf der einen Seite ein Labyrinth, auf der anderen Seite Christus am Kreuz. Sie sind in ihren Maßen deckungsgleich und beide in warmen Erdfarben gemalt.

In den folgenden Jahrhunderten wird mit der Wegführung des Labyrinths experimentiert, bis es in der Gotik zu einer neuen Form findet. Wer durch ein gotisches Labyrinth hindurchgeht, hat 28 Kehren zu bewältigen. Hier können Menschen gehend über notwendige Kehrtwendungen nachdenken. Wo macht der Lebensweg Wendungen erforderlich, wo ist Umkehr notwendig? Dies ist eine Frage nicht nur in der Fastenzeit. An Ostern dann wandelt sich der meditative Ort zu einem fröhlichen Tanzplatz, auf dem der Weg Christi vom Tod zum Leben gefeiert wird. Viele Klöster des Hochmittelalters hatten ein Labyrinth in oder vor ihrer Kirche. Es gab große Bodenlabyrinthe aus Stein – in Chartres ist noch heute eines zu sehen – oder kleine Fingerlabyrinthe – wie in den romanischen Kirchen von Köln. Die Gotik, die Zeit der Mystikerinnen von Helfta, bildet einen Höhepunkt der Labyrinth-Kunst. Sie lädt zur Besinnung ein: Bedenke dein Leben, bevor du zum Altar trittst.

Das Lebendige Labyrinth in Helfta

Dem Leben eine Wende geben, vom Tod zum Leben umkehren - hierzu laden Labyrinthe ein. Zielgerichtet handeln heißt oft, Umwege zu machen, weite Wege in Kauf zu nehmen.

Nicht immer ist die Mitte deutlich im Blick, auch wenn sie vielleicht ganz nah liegt. Nicht müde werden, den Spuren des Lebens folgen Schritt für Schritt und geführt von der Hoffnung, dass sich Christus als Mitte des Lebens offenbart. Labyrinthe sind kreative Lebensorte, die zur Meditation einladen. Sie sprechen alle Sinne an und lassen den Glauben an die Auferstehung vom Kopf durch den Körper wandern.

Das Labyrinth in Helfta ist als Ort des Lebens und Glaubens konzipiert. Frauenklöster waren im Mittelalter Lebensorte, die sich um Gesundheit an Leib und Seele kümmerten. Die Nonnen versorgten die Menschen der Umgebung mit Heilkräutern und wussten auch, welches Kraut wofür gewachsen ist. Diese Tradition wird in Helfta mit der christlichen Labyrinth-Tradition verknüpft, denn das Lebendige Labyrinth besteht aus Heil- und Heckenpflanzen. Figuren aus Weidengeflecht laden die Besucherinnen und Besucher ein, die frischen Weidentriebe in die Formen hineinzuflechten und so zum Wachstum des Labyrinthes beizutragen.

Mechthild von Magdeburg hat zu Heilkräutern einen besonderen Spruch:
„Man soll mit den Heilkräutern die Kranken laben, die Gesunden stärken, die Toten erwecken und die Guten heiligen.“ (Mechthild von Magdeburg, FLG VII, 36)

Mit seiner Herzform und in der Gestaltung der Mitte erinnert das Lebendige Labyrinth an das Erbarmen Gottes. Zum einen spielt das Herz als Symbol der Liebe, der Innigkeit und Zuneigung in der Mystik eine wichtige Rolle. Die Gesamtgestalt der Heilpflanzen und des Weidengeflechts, der Wege mit ihren Wendungen bildet ein solches Herz. Zum anderen besteht die Mitte des Labyrinthes aus einem Weidenraum mit Rundbank, die etwa zehn Menschen zu Meditation und Gespräch Platz bietet. Hier kann das Erbarmen Gottes Raum finden, das heute in gnadenloser Zeit bitter notwendig ist. Die Barmherzigkeit Gottes spielt im Ersten Testament eine besondere Rolle. Sie ist die Mutter des Lebens, die das Schutzbedürftige in ihren Schoß aufnimmt, die neues Leben nährt und ihm Raum eröffnet. Die erste Bauphase begann im Frühjahr 2004 mit dieser Mitte und dem Lebenskreuz, um die sich die Wege des Labyrinthes bewegen.

Die Seele spricht zu Gott:
„Deine Barmherzigkeit ist die Zuversicht meiner Seele in einzigartiger Weise.“ (Mechthild von Magdeburg, FLG I, 33)

„Hebräisch racham bedeutet ,sich erbarmen', rachamim bezeichnet das ,Mitgefühl' oder ,Mitleid'. In allen diesen Wörtern steckt ein noch einfacheres, ursprünglicheres, nämlich rächäm, das Wort für den weiblichen Schoß, den Mutterschoß oder die Gebärmutter." (vgl. Schroer / Staubli 1998, 79) Das Wortfeld von racham umfasst sich erbarmen, lieben, Zärtlichkeit, Zuwendung. Aber nicht nur im Hebräischen, sondern auch im Mittelhochdeutschen sind das göttliche Erbarmen und der Mutterleib sprachlich miteinander verbunden. Das mittelhochdeutsche Wort „barm" bedeutet „Schoß". Wer im Spätmittelalter das Wort „Barmherzigkeit" oder „Erbarmen" hört, hat den Mutterleib als Bildspender vor Augen. Das Erbarmen, die Liebe Gottes ist der Ort, wo neues Leben wachsen kann, wo ihm Raum geschaffen wird und Nahrung zukommt. Die Metapher hierfür ist der Schoß der Frau, die Gebärmutter, die sich weitet für das noch unscheinbare, schutzbedürftige Leben, das in ihr wachsen will. Sie gibt dem neuen Leben Nahrung und alle Zuwendung, die es zur Entwicklung braucht.

Zu Mechthild von Magdeburg spricht die Stimme Gottes:
„Wenn Menschen in demütiger Furcht inständig meine Barmherzigkeit suchen, dann gehen ihnen die guten Werke nicht verloren; und die Bitterkeit ihres Herzens würde zunichte, und sie würden zu sich selber kommen. Denn wer meine Barmherzigkeit sucht, kann Finsternis nicht ertragen. Alle, die sie suchen und stets anrufen, die überwinden ihr Herzeleid. Sie tröstet die Betrübten, sie heilt die Wunden, sie erfreut alle, die zu ihr kommen, sie hat mir große Macht genommen.“ (Mechthild von Magdeburg: FLG, VII, 62 )

Indem das Labyrinth in Helfta an die göttliche Barmherzigkeit erinnert, wird es zu einem besonderen Ort der Spiritualität von Frauen. Es macht die Verbundenheit von Leib und Seele, Spiritualität und Alltag handgreiflich und erfahrbar. Außerdem eröffnet es einen Ort, an dem Gedanken der Mystikerinnen Schritt für Schritt auf den verschlungenen Wegen zur Mitte meditiert werden können. Zu diesem Zweck werden in Helfta Meditationskärtchen mit Zitaten aus dem Werk der Mystikerinnen angeboten. Die Mystik von damals erhält Raum und Zeit, um auf den bewegten Lebenswegen heute zu sprechen.

Wünsche

Zur Einweihung des Lebendigen Labyrinthes wurden sieben verschiedene Wünsche ausgesprochen. Einige davon können Sie hier lesen:

Von Äbtissin Assumpta Schenkl

Aus der Perspektive des Klosters

Dass es in Helfta jetzt ein Lebendiges Labyrinth gibt, ist für unser Kloster St. Marien eine große Bereicherung. Denn im 13. Jahrhundert, als die Mystikerinnen Mechthild von Magdeburg, Mechthild von Hackeborn und Gertrud von Helfta hier gelebt haben, stand die Labyrinth-Kunst in ihrer Blütezeit. Unser Labyrinth knüpft an diese geistliche Tradition der Gotik an und eröffnet ihr neues Leben. Deswegen freuen wir uns sehr darüber, dass auf Initiative und mit tatkräftiger Unterstützung der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) hier in Helfta ein Labyrinth gebaut wurde. So wie ich dem Labyrinth wünsche, dass es blüht und gedeiht, ebenso wünsche ich das auch dem Kloster.

Von Magdalena Bogner

Aus der Perspektive der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands

„Frauen auf dem Weg", der Titel eines Liedes, das seit vielen Jahren von kfd-Frauen bundesweit immer wieder gesungen wird. Es bringt zum Ausdruck, was die kfd prägt. Dort heißt es, Frauen teilen miteinander Last und Trauer, Weite und Mut, Kraft und Glauben, weil sie aus der Hoffnung auf den Gott leben, der mit ihnen auf dem Weg des Lebens ist.

Möge dieses Lebendige Labyrinth für viele kfd-Frauen erfahrbar machen, dass alles Handeln – gesellschaftliches und kirchliches Engagement – seine Wurzeln in der Mitte des Lebens, in Gott hat und dass es seine Kraft aus dieser Mitte bezieht. Für diejenigen, die sich mit dem Gang durchs Labyrinth dem Weg von außen nach innen anvertrauen, die in die Mitte eintauchen und die sich wieder neu dem Außen zuwenden, vermag dieser Gang heilende Kräfte zu entwickeln. Möge dieses Lebendige Labyrinth darüber hinaus ein Zeichen dafür sein, dass die kfd ein Ort für Frauen ist, wo Glauben und Handeln, Innen und Außen, Gottverbundenheit und Weltverantwortung untrennbar zusammengehören.

Von Birgit Cauer

Aus der Perspektive der Künstlerin

Mit der Fertigstellung des Lebendigen Labyrinths am 16. Juni 2007 ist für mich eine Vision von einem skulptural empfundenen Raumkonzept – von der Idee bis zur Vollendung – wahr geworden: Ich habe den, mir zur Verfügung stehenden, Raum im Klostergarten in einen atmosphärischen Ort der Begegnung verwandelt. Das empfinde ich nicht nur für das Kloster Helfta und die kfd als bedeutsames Ereignis, sondern es ist auch ein wichtiger Meilenstein innerhalb meines künstlerischen Schaffens.

Kunstprojekte dieses Ausmaßes gelingen nur, wenn andere mit an die Vision glauben und tatkräftig mit daran arbeiten. An dieser Stelle bedanke ich mich ganz herzlich bei Dr. Hildegund Keul, Barbara Striegel, Magdalena Bogner – ohne sie hätte diese Vision nie realisiert werden können.

Das ganze Labyrinth selbst ist eine große, duftende, farbige und sich verändernde Plastik. Das Zentrale Wesen des Labyrinthes sind jedoch die „Leibräume“ - jene floral-skulpturalen Figuren, die aus Weidenstecklingen geflochten wurden, in denen sich wuchernde Natur und Künstlichkeit vereinen. Hier ergibt sich für den Besucher die einzigartige Möglichkeit der Begegnung mit dem „Anderssein“ der Natur und gleichzeitig mit dem eigenen Leib, mit sich selbst.

Das Labyrinth mit seinen „Leibräumen“ und der Bepflanzung betrachte ich nicht als eine Fortsetzung der Tradition herrschaftlicher Gärten, die ein Denkmal für die vollkommene Beherrschung der Natur darstellen. Vielmehr sehe ich in meiner Arbeit einen Spielraum zwischen dem Naturschönen und dem Schönen der Künste, das auch das Hässliche und Destruktive ins Spiel bringen kann. So wechseln hier Leben und Vergehen, wird Gegenwart im Hinblick auf Vergangenes belebt und weist in eine unbekannte Zukunft hinaus ...

Mein Wunsch für dieses lebendige Kunstwerk ist, dass die Besucher dessen spirituelle Dimension spüren und erfahren, dass es eine wachsende Brücke zwischen Kunst und Religion wird. Das Labyrinth soll zu einem Ort der Begegnung zwischen weltlichem und christlichem Glauben werden: Menschen aus dem Bereich der Kunst können mit dem christlichen Glauben in Berührung kommen und Gläubige einen Zugang zur zeitgenössischen Kunst finden.

Von Prof. Dr. Hildegund Keul

Aus der Perspektive der Mystik in Helfta

Das Lebendige Labyrinth der kfd in Helfta hat viele Besonderheiten. Eine besteht darin, dass es zu jenem Kloster gehört, in dem die Mystikerinnen Mechthild von Magdeburg, Gertrud von Helfta und Mechthild von Hackeborn lebten. Damit ist dem Labyrinth ein inspirierendes Thema gesetzt: die Mystik der Frauen, die hier im 13. Jh. lebten. Mit der Mystik lädt das Labyrinth dazu ein, sich dem Geheimnis des Lebens auf die Spur zu machen.

Schon sehr früh, nämlich 1999, als ich auf die Idee eines Labyrinthbaus in Helfta kam, war diese Idee mit der Frauenmystik verbunden. Ich stellte mir einen Ort vor, wo Menschen die Gedanken der Mystikerinnen mit auf dem Weg nehmen; wo sie mit der Mystik unterwegs sind auf den verschlungenen Pfaden, den weiten Bögen und engen Windungen, die im Labyrinth das Leben selbst symbolisieren. An einem solchen Ort hört man nicht nur einen Vortrag über die Mystik oder diskutiert über sie, sondern das, was die Mystik sagt, bringt in Bewegung – hier in ganz wörtlichem Sinn! und hat Zeit, durch den Körper zu gehen und Leib und Sinne zu berühren.

Wenn man einen Wunsch hat, ist es gut, etwas dafür zu tun, dass dieser Wunsch in Erfüllung gehen kann. Darum habe ich heute einen Spruch der Mystik mitgebracht, zusammen mit dem Logo des Labyrinthes auf kleine Spruchkarten gedruckt. Ich lade Sie dazu ein, diesen Spruch mit auf Ihren Weg durchs Labyrinth zu nehmen. Selbstverständlich können Sie sich die Karte später auch ins Gebetbuch oder den Terminkalender legen. Er stammt von Gertrud von Helfta und ist eine spezielle Bitte um Frieden:
„O Friede, sage mir doch noch ein einziges kleines Wort.“

Die Mystik ist eine der stärksten Friedenstraditionen des christlichen Abendlandes. Dies ist ein unschätzbarer Schatz, den es heute neu zu heben gilt.
Für das Labyrinth wünsche ich, dass es ein Ort wird, der im Zeichen der Mystik steht – ein Ort, wo Menschen mit dem Geheimnis ihres Lebens in Berührung kommen und so fähig werden, Schritte des Friedens zu gehen.

Von Dr. Annette Schleinzer

Aus der Perspektive der Menschen, die das Labyrinth besuchen kommen

Mein Wunsch ist es, dass die Menschen, die hier vorbeikommen, in diesem Labyrinth ein Bild ihres Lebens finden, zu dem sie tastend und ahnend unterwegs sind. Dass die Mitte des Labyrinths sie in ihre eigene Mitte führe; an einen Ort, an dem sie mit dem Geheimnis Gottes in Berührung kommen, an dem sie – vielleicht zum ersten Mal – Geschmack an Gott finden und dazu verlockt werden, dieser Spur weiter zu folgen.

Von Barbara Striegel

Aus der Perspektive der Ora-et-Labora-Tage im Labyrinth

Ora et Labora – bete und arbeite, in diese kurzen Worte hat der Hl. Benedikt von Nursia im 6. Jahrhundert eine wichtige Regel klösterlichen Lebens formuliert. Sie prägt das Leben vieler Ordensgemeinschaften damals wie heute. Die drei Mystikerinnen von Helfta lebten nach dieser Regel genau so wie die Cistercienserinnen, die jetzt wieder hier vor Ort sind.

In der heutigen Zeit laden viele Klöster zu Ora-et-Labora-Tagen ein. Menschen sollen die Möglichkeit haben, den wechselnden Rhythmus von Beten und Arbeiten kennen zu lernen und seine heilsame Wirkung auf ihr Leben zu spüren.

Auch wir Frauen der kfd sahen mit dem Angebot solcher Tage eine wunderbare Möglichkeit, diese beiden Pole menschlichen Lebens sehr konkret werden zu lassen: Begegnung von Frauen aus Ost und West zu schaffen, sich von den Texten der Mystikerinnen berühren zu lassen, ihre Glaubenserfahrungen von damals für Frauen von heute spirituell erlebbar zu machen und mit dem Labyrinth einen Ort der Arbeit und des Gebetes zu haben.

So wurden von Anfang an Bau und Pflege des Lebendigen Labyrinths mit Ora-et-Labora-Tagen verbunden. Sieben Mal haben sie bereits stattgefunden. Theologinnen aus allen Teilen Deutschlands übernahmen die spirituelle Begleitung. Insgesamt mehr als 150 Teilnehmerinnen haben mit großer Hingabe gepflanzt und die Beete gepflegt. Einige Frauen haben nicht nur einmal an diesen Tagen teilgenommen. Oft wurde diese Zeit als ein Stück Weg im eigenen Lebenslabyrinth wahrgenommen, und manchmal ist eine selbst gesetzte Rose auch „ihre Rose“ geworden, nach der sie von Zeit zu Zeit schauen wollen.

Ich vermag es selbst nicht so treffend auszudrückenden. Deshalb zitiere ich jetzt eine Teilnehmerin, die ihre Eindrücke aufgeschrieben hat:

„Wir gingen ein letztes Mal den Weg des Labyrinthes und als wir diesmal den Leibraum im Zentrum erreicht hatten, spürte ich, ich war angekommen in der Mitte, in meiner Mitte. Ich hatte die Verbindung zu dem DU, das wir Gott nennen. Die Worte der frommen Frauen von einst hatten auch in mir zu klingen begonnen: `Du bist wie der Strom unschätzbarer Freuden, du bist wie ein blühender Frühling, wie eine zauberhaft lockende, beseligende Melodie.` (Gertrud von Helfta)

Wir gingen den Weg zurück, sahen das keimende Grün, einige Knospen, die Beete bereit, in wenigen Wochen üppig zu blühen. Wir nahmen Abschied von den Frauen, mit denen wir in diesen Tagen durch gemeinsames Beten, Meditieren und Arbeiten verbunden waren, mit denen wir ein kurzes, aber nicht unwesentliches Stück unseres Lebensweges gegangen waren. Wir gingen zurück, verließen Helfta und nahmen das DU mit, um es in unser Leben zu integrieren."

Es sind große Schätze, die wir mit dem Lebendigen Labyrinth anderen Menschen öffnen können. Deshalb wünsche ich diesem Ort, dass viele Menschen, und hier besonders Frauen, mit dieser oder einer ähnlichen Glaubenserfahrung nach Hause gehen dürfen, und dass wir als Frauenverband uns dieses Schatzes bewusst bleiben und auch zukünftig Ora-et-Labora-Tage anbieten und ermöglichen können.